Warum pilgern Menschen den Jakobsweg? Warum brechen Menschen in kleinen und größeren Gruppen zu Wallfahrten auf? Warum kamen mitten in der Woche, am Abend des 7. September 2023 so viele Menschen in die Wallfahrtskirche nach Dieburg zu Fuß oder mit dem Auto?
Diese Frage stellte der Gastprediger Bischof Donal Mc Keown aus Nordirland, den vielen hundert Gläubigen, im Festgottesdienst in der Dieburger „Gnadenkapelle“.
Alljährlich am 7. September, dem Vorabend des Hochfestes Maria Geburt, zieht es Hunderte von Gläubigen auch heute noch aus den benachbarten Regionen von Hessen und Bayern zu der „Gnadenkapelle“ um der Pieta, dem Gnadenbild der Schmerzhaften Muttergottes näher zu sein. Diese Pieta ist eine besonders berührende Darstellung.
Wenn unsere kleine Gruppe auf dem Weg nach Dieburg durch die Straßen und Dörfer ging, die Kleinostheimer Standarte mit dem Bild unseres Kirchenpatrons dem Heiligen Laurentius und dem Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes vor sich hertragend, gab es immer wieder Begegnungen mit fremden Menschen am Wegrand, die uns grüßten, sowie die uns fragten: „Was macht ihr da?“
Da ist es gut, eine Antwort geben zu können.
Voneinander wissend, dass das Leben allgemein aber auch im persönlichen eines jeden, nicht ohne Leid und Sorgen verläuft, machen wir uns bewusst, dass unter jedem Dach, das wir zu Fuß passieren, auch ein „Ach“ wohnt. Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Menschen in unsere Gebete mit auf den Weg; Gedanken an Menschen, die es schwer haben, verursacht durch Krankheiten, Missgeschicke, Katastrophen, Unfälle, Verluste, Tod, Flucht, Vertreibung, Streit, Entfremdung untereinander, Feindschaft und Spaltung, Armut. Nicht gelingendes Leben hat viele Gesichter.
Alles was uns beschwert wird an diesem Tag irgendwann ins Wort gefasst, sowie alles was uns bewegt und anrührt und erfreut. Was nehme ich mit nach Dieburg? Was lege ich ab? Die Melodie der Schritte und der Gebete wechseln mit den dahineilenden Landschaften. Es tut gut, nicht allein zu gehen – wir haben ein gemeinsames Ziel und spüren beim Gehen dem Gleichklang der Herzen nach.
Alles hat und findet an diesem Tag seinen Platz zum Nachsinnen, zum Ablegen und Loslassen. Mit der berührenden Lichterprozession durch Dieburg ist das Ende eines langen Tages gekommen. Eine(r) von vielen werden im gemeinsamen Singen, Beten und Schreiten. Noch einmal den Gleichklang vieler Herzen spüren inmitten einer sehr großen Menge.
Das Gottesvolk war schon immer ein pilgerndes Volk. Auch die Kirche muss eine pilgernde Kirche sein und bleiben. Eine pilgernde Kirche, die über Jahrhunderte hinweg zu immer mehr Macht und Geld gekommen ist und nun einer deutlichen Kurskorrektur bedarf mit Blick auf die Pieta - ausgerichtet auf die leidenden Menschen.
Warum brechen Menschen gemeinsam zu einer Wallfahrt auf?
Vielleicht, weil sie um eine Last leichter geworden sind und mit Freude und Hoffnung im Herzen in den Alltag zurückkehren.
Angela Adler