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Ansprache von Edwin Lang

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wir haben uns heute hier versammelt, nicht nur um an die Gefallenen und Vermissten der Weltkriege, der Bombenopfer vom 21.01.1945 sowie der Heimatvertriebenen zu erinnern. Diese Stätte wurde 1971 von dem Bildhauer Günther Hampel in Form einer Klagemauer gestaltet mit einem großen Auferstehungskreuz. Mit großer Sorgfalt und Einfühlungsvermögen wurde nun der Standort für diese Stätte der Erinnerung ergänzt mit einem Denkmal für die Kleinostheimer Opfer der Euthanasie. Dieser Buntsandstein passt sich harmonisch in sein Umfeld dieses Kriegerdenkmalsplatzes ein. Dieses neue Denkmal soll nun heute den geistlichen Segen erfahren.

 Zunächst darf ich meinen Dank aussprechen, dass Herr Bürgermeister Dennis Neßwald sowie die Damen und Herren des Gemeinderates meine Initiative unterstützt haben und den Bau dieses Mahnmals einstimmig beschlossen und finanziert haben. Danken darf ich auch unseren Pfarrern Heribert Kaufmann von der Laurentius-Pfarrei und Thomas Abel von der Sankt-Markus-Gemeinde sowie vielen Bürgern für ihre Unterstützung.

Dieser Gedenkstein wurde nicht vor kurzem aus einem Steinbruch geborgen, er war Teil einer Brücke, die kürzlich abgebrochen wurde. Außerdem erinnert eine Inschrift an die Namen unserer Euthanasie-Opfer. Gestaltet wurde diese Stätte von dem Sailaufer Steinmetzmeister Peter Imgrund. Eine Brücke als Symbol, die zwei Seiten miteinander verbindet, soll uns in der heutigen Zeit in Gedanken verbinden mit unserer Vergangenheit, als ein unmenschliches System Menschen aus unserer Mitte als nicht lebenswert und unnütz für unsere Gesellschaft befand. Sie soll uns bewusst machen, dass wir auch in der heutigen Zeit und auch in Zukunft immer Sorge tragen müssen für den Erhalt von Menschenwürde und Demokratie. Wir müssen dafür sorgen, dass die Vergangenheit nicht unter einer dicken Staubschicht verschwindet.

Der Stein trägt die Namen der Menschen, die hier in Kleinostheim, mitten unter uns, in unserer Nachbarschaft, lebten. Plötzlich, unerwartet, verschwanden sie aus unserer Gemeinde. Bis heute konnte nicht festgestellt werden, dass es für die Deportationen hierbei eine Einflussnahme von den hiesigen Ortsoberen der damaligen Zeit gab. Zu Tode gespritzt, vergast, misshandelt, ohne notwendige medizinische Behandlung und ohne Nahrung, so mussten unsere Mitbürger ihr Leben hergeben. Eine Teilnahme an einem Leben, nicht nur satt und sauber, sondern auch in Frieden, Freiheit und Würde wurde ihnen vergönnt.

Aus unserer Mitte starben, d.h. wurden ermordet:

Frau Katharina Bender, geb. Reising, 37 Jahre alt, am 16.Februar 1944 in Eltville

Herr Wilhelm Brenneis, 46 Jahre alt, am 11.Mai 1945 in Lohr,

Frau Ida Disser, 30 Jahre alt, am 16.Dezember 1940 in Pirna an der Elbe,

Herr Valentin Fürst, 41 Jahre alt, am 11.Dezember12.1940 ebenfalls in Pirna,

und Herr Johann Reis, 26 Jahre alt, am 20.Juni 1941 in Hardheim-Österreich.

Als nach den Wahlen am 30. Januar 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, meinte noch mancher entschuldigend, es wird schon nicht so schlimm werden. Die bisherigen Erkenntnisse über die Schreckensherrschaft der Nationalsozialistischen Machthaber müssten uns aber doch nachhaltig gelehrt haben, dass sich diese nie wiederholen dürfen.

Man muss die Wunden der Geschichte berühren, denn sie dürfen nicht erneut aufbrechen. Nach den Erfahrungen aus dem Dritten Reich hat es mich zutiefst erschreckt, als ich nach der Europawahl dieses Jahr lesen musste, dass über 500 Kleinostheimer Bürger den Rechten ihre Stimme gaben.

Viele von Ihnen erinnern sich noch an das Lied „Irgendwo auf der Welt“, gesungen von den Comedian Harmonists. Sie bestanden teilweise aus jüdischen Sängern und erhielten 1935 Auftrittsverbot. Die erste Strophe ihres letzten Liedes, das sie öffentlich sangen, lautet:

Irgendwo auf der Welt gibt‘s ein kleines bisschen Glück

Und ich träum davon in jedem Augenblick

Irgendwo auf der Welt gibt’s ein bisschen Seligkeit

Und ich träum davon schon lange, lange Zeit.

Warum hat man unseren fünf Opfern der Euthanasie nicht auch ein bisschen Glück gegönnt?

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung von uns Allen.

Max Mannheimer, ein Überlebender von Auschwitz und Dachau schrieb: Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber, dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 

 

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